Herbst
Jede einzelne Berührung erregte sie, ein elektromagnetischer Schock durchfuhr sie ebenso wie ihn und Zeit veränderte sich in Gestalt der immerwährenden Schönheit des aufkeimenden Herbstes.
Aktualisiert am November 14, 2023
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Autumn
Sie war immer erreichbar, immer in der Nähe und für jeden Schabernack zu haben. Meistens streifte sie in den lauen Julinächten von einem Lover zum nächsten, gab sich ihren sinnlichen Gelüsten bedingungslos hin und brachte Erinnerungen mit eigentlichen Geschehnissen durcheinander. Sie verwechselte Namen und Sexpraktiken, manchmal vergaß sie sogar, wie sich dabei fühlte. Es war die Zeit, in der sie berührt werden wollte, sie wollte das Leben spüren, ausgefüllt mit Schwänzen, Zungen und Fingern. Kurz bevor der Sommer ein Ende nahm, reflektierte sie, sie fügte die Puzzleteile zusammen und konnte eine gewisse Melancholie, die mit der Goldfärbung und des nahenden Saisonwechsels einherging, nicht leugnen.
T. war ihr letzter Fick. Er gehörte zu jenen, die sich immer viel Mühe geben und dessen Hauptaufgabe darin bestand, der Frau höchsten Genuss zu bescheren, bevor er überhaupt daran dachte, selbst abzuspritzen. In seinem dekadenten Masterbett zerrte sie an den weißen Seidenlaken, blickte an die stuckverzierte Altbaudecke, während er sie mehrmals zum Höhepunkt brachte. Zwischen ihren Schenkeln wurde die Lotusseide zum reinsten Pool. Er liebte es, wenn er es schaffte, ihre Säfte herauszulocken, in dem Moment, als es aus ihr herausschoss, veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Als hätte er die Geheimnisse aller Frauen enthüllt, Pandoras Box und die sprudelnde Leitung zum Königreich für immer geöffnet, wurde er ganz weich, seine Lippen verzogen sich zu einem zufriedenen Grinsen und seine Augen glitzernden vor Glück und Traurigkeit. Es war jener Moment, in dem er seinen Kopf zwischen ihre Schenkel legte, seine Finger weiter in sie hineinstieß und anfing ihre Säfte mit seiner Zunge aufzufangen. Er trank sie wie den köstlichsten Wein, bis nicht nur die feine Lotusseide völlig durchnässt war, sondern auch sein Gesicht. Sein spärliches Haar klebte ihm an der Stirn, verband sich mit ihren Säften und seinem Schweiß. Als er schließlich emporstieg, erinnerte sie das an ein antikes Gemälde oder nein eine Filmszene, in der ein adonisgleicher Jüngling den Pool verlässt und sich dabei mit beiden Händen die nassen Strähnen aus dem Gesicht wischt. Sie war bereits völlig leer gepumpt und überzeugt, dass er all ihre Höhepunkte gestohlen hatte, bevor er ihre Schenkel weiter spreizte, sich auf sie niederließ und seinen Schwanz in ihrer Enge vergrub. Der Stuck an den Decken veränderte seine Gestalt, die Muster vereinten sich zu Da Vincis glorreichem Abendmahl. Zufrieden lag sie da, ließ sich reiten, während herunterprasselnde Schweißtropfen wie ein heftiger Regenschauer ihre Sicht verschleierten, dröhnendes Männergestöhne die Deckenlampe zum Beben brachte und die Apostel Zeugen einer sündhaften Erlösung wurden.
Manchmal denkt sie an J. und die heißen Nächte in fremden Hotels, wenn er auf Durchreise war und sie zu sich bestellte. J. fragte nicht, er machte Ansagen und jedes Mal gehorchte sie wie eine läufige Hündin. Er brauchte nur eine Nachricht schreiben und zwischen ihren Schenkeln entwickelte sich eine feuchte Hitze, die von größter Sehnsucht getrieben wurde. Eine Sehnsucht, die sich auf das Wesentliche beschränkte: seine Befriedigung und ihre Hingabe. So einfach war das. Wenn sie an der Zimmertür des Ritz, des Le Meurice oder des Chevaliers klopfte, stand er bereits fertig geduscht und nur mit Badehandtuch um die Hüften geschwungen vor ihr. Sie lächelte ihn an, er nickte und ließ die Tür offenstehen. Sie hatte die Wahl, denn er bat sie nie einzutreten. Selbstgefällig warf er das Badehandtuch zur Seite, sodass sie seinen perfekten Hintern begutachten konnte, der sich den Weg zum Designschlafzimmer bahnte. Natürlich würde sie folgen, dieser Mann löste jenes Verlangen in ihr aus, dass ihr so vertraut vorkam und seither stets das Gefühl von Liebe vermittelt. Ein fatales Gefühl von Liebe, dass mit fehlender Aufmerksamkeit seinen Höhepunkt im Reich der Submissiven und Dominanten erreicht. Vorsichtig schloss sie die Tür, bevor sie ihre High Heels am Eingang positionierte und auf Zehenspitzen über Parkettboden und üppige Teppiche zum Schlafzimmer schlich. J. lag bereits im pompösen Boxspringbett umzingelt von goldenen und bronzefarbenen Kissen, entweder starrte er gelangweilt auf den Fernsehbildschirm, feilte sich die Fingernägel oder schlürfte seinen Champagner.
Sobald sie das Schlafzimmer erreichte, zog sie ihre Strumpfhose und Slip aus und legte alles behutsam gefaltet auf den Sessel. Dann ging sie auf alle Vier und bestieg vom Bettende die riesigen Polster, die zu seinen Füßen führten. Er beobachtete jede einzelne ihrer Bewegungen fast teilnahmslos und wartete darauf, dass sie seinen Schwanz an ihre Lippen führte und ihm Leben einhauchte. Das war die einzige Möglichkeit, um ihm ein Stöhnen oder Seufzen zu entlocken, und wenn sie es tat, fühlte sie sich dabei so mächtig, als hätte sie eine geheime Pforte oder das Tor zur keltischen Geheiminsel Avalon betreten. Dies bescherte ihr unglaubliche Lust, sodass ihre Innenschenkel heiß und feucht wurden, während sie mit ihrem Mund seinen Schwanz bis zum Gaumen trieb und dabei tiefe auf und ab Bewegungen machte. Manchmal schaute sie zu ihm empor und beobachtete, wie sein Gesicht weich wurde, wie sich seine Wangen verfärbten und Sehnsucht in seinem Blick deutlich wurde. Dann fühlte sie sich noch mehr angetrieben, spuckte auf seine Eichel und tanzte mit ihren Fingern den nassen Schaft entlang, bis sein Schwanz zu pumpen beginn. Schnell umschloss sie ihre Lippen mit seiner Länge und ließ ihn ganz in ihren Mund gleiten. Sie wollte seinen Samen, daran bestand kein Zweifel. Wenn er in ihr kam, erfüllte sie das mit einer Vollkommenheit, die sie für Wochen, ja sogar Monate befriedigte. Es war alles, was sie wollte: seine Befriedigung und die Nichtachtung ihrer Bedürfnisse. Während die heiße Glut ihren Gaumen benetzte und sein Körper zu zucken begann, bahnten sich einige Liebestropfen den kraftraubenden Weg an ihren Schenkeln entlang.
A. bekam sie nicht mehr aus ihrem Kopf. Sie versuchte sich die Sentimentalität dieser Begegnung immer wieder vor Augen zu führen, die an einem Punkt abbrach und sie sprachlos zurückließ. Mit A. ging es nicht nur um Sex, es war viel mehr eine freundschaftliche Ebene, die ihren Zauber entfaltete und zu einer majestätischen Größe heranreifte. Es war der Übergang von Sommer zu Herbst, der dem Ganzen eine besondere Magie hinzufügte, während sie durch Parks schlenderten, die Rotbuche ihre orangefarbenen Blätter sanft durch die Lüfte trug, sie ihre Lieblingsmusik und intimsten Geständnisse austauschten und sich gelegentlich berührten. Jede einzelne Berührung erregte sie, ein elektromagnetischer Schock durchfuhr sie ebenso wie ihn und Zeit veränderte sich in Gestalt der immerwährenden Schönheit des aufkeimenden Herbstes. In ihrer Fantasie fanden sich tausend Bilder von schwitzenden Körpern, die sich aneinander rieben, Küsse, die den Geschmack der kostbarsten Frucht innehielten, Berührungen, die Hand in Hand ineinander übergingen und sich so einfach fast schwerelos anfühlten, während sie Pläne schmiedeten, lachten und die seelenverwandte Gesellschaft genossen. Nach mehreren unschuldigen Treffen wurde das Verlangen aufeinander so groß, dass sie beschlossen, sich ihrem Hunger zu fügen und dem Akt der Liebe hinzugeben.
Es war aufregend, etwas, dass für beide auf seltsame Weise irgendwie befremdlich wirkte. Sie verstanden sich gut darin, sich ihren Gelüsten freizügig hinzugeben, Menschen in ihre Leben zu lassen und wieder von vorn zu beginnen. Es war einfach, es war ohne Bedeutung. Diesmal fühlten sie wahrhaftig, sie gingen einen anderen Weg und das veränderte sie. Nie hatten sie sich zuvor so verletzlich gemacht, nie hatten sie zuvor Berührungen, Küsse, Liebkosungen so wahrgenommen, dass der Gedanke an den Akt selbst sie buchstäblich erschaudern ließ. Sie hatten Angst, nicht mehr dasselbe zu fühlen oder schlimmer noch viel mehr. Als es schließlich dazu kam und sie sich nach einer intensiven Körpererkundung anschauten und einvernehmlich beschlossen, den Akt zu vollziehen, führte er seinen Schwanz näher an ihren Eingang, während sie ihren Po ein Stück von seiner Hüfte anhob, um sich darauf niederzulassen. Sie taten es mit vollem Bewusstsein, synchron, ohne Abschweifungen, und als es geschah, als sie sich auf seinen prächtigen Schwanz setzte und seine volle Größe in sich spürte, flossen die Tränen unwillkürlich aus ihren Augen.
Sie spürten die Ganzheit des Universums, das kochende Blut in ihren Adern, die Einheit ihrer sinnlichen Bewegungen, ihre Innenwände, wie sie seinen Schwanz festhielt und dabei immer wieder verkrampfte, seine Eichel, wie er bis zum tiefsten Punkt ihrer Scheide eindrang und sich Samen und Säfte verschmolzen. Sie schnupperten die besondere Herbstluft, die sich den Weg durch das offene Fenster seiner winzigen Loftwohnung bahnte, während sie ihn hemmungslos ritt. Sie verfielen in Trance zu den Gerüchen von Laub, vermischt mit Kastanien und erinnerten sich an die zahllosen Spaziergänge, in denen sie diesen unbezwingbaren Bund bereits heraufbeschwört hatten. Am Höhepunkt ihrer Lust mit all den Erinnerungen, mit all den Realitäten direkt vor ihren Augen, fanden sie schließlich ihren gemeinsamen Orgasmus. Es erschütterte sie zutiefst, wie ein Vulkan, der auf den größten Ausbruch seit Menschengedenken gewartet hat, übergoss er die ganze Erde und nahm sie mit. Vollkommen überwältigt über diese Erfahrung verloren beide ihre Sprache, Wärme verwandelte sich in Kälte, Verletzlichkeiten wurden zu einer undurchschaubaren Hypokrisie. Was ihnen blieb, war dieser Moment und all die Herbsttage im Park, die Prophezeiungen der wahrhaftigen Innigkeit entfachten.
Im Herbst wurde sie immer ganz ruhig, sie wechselte ihre Kleidung ebenso wie ihren Lebensstil und verkroch sich bis zum nächsten Frühjahr. Dann, wenn die Bäume wieder Farbe annehmen und der Duft neuer Begegnungen und Koitus ihre Adern zum Leben erwecken.