Essays

Lustzentrum Gehirn

Sexuelle Fantasien sind der Schlüssel zu gutem Sex und kennen keine Grenzen.

Von Anne Lomberg am Januar 8, 2024 -
Aktualisiert am Januar 13, 2024

Auch auf Englisch verfügbar
Pleasure Center Brain

Man möchte meinen, dass um sexuelle Erregung wahrzunehmen, vor allem bestimmte Körperbereiche berührt werden müssen, dem ist aber nicht so, denn sexuelle Erregung entsteht in unserem Kopf nicht durch Berührung, sondern durch Fantasie. Unser Gehirn ist das wichtigste Sexualorgan, es ist der Ort, wo wir entscheiden, ob uns etwas erregt oder nicht.

Andy Warhol sagte einmal: „Fantasy love is much better than reality love. Never doing it is very exciting. The most exciting attractions are between two opposites that never meet.“

Ich stimme zu, Fantasien katapultieren uns in Sphären, die sich in Realität oft nicht so befriedigend anfühlen, zumindest wenn man eine blühende Fantasie hat. Und auch der Reiz am Beobachten triggert den Geist immens bis zu einem Punkt, an dem man es vor Verlangen nicht mehr aushält und sich den ersehnten Berührungen hingibt. Aber was passiert eigentlich in unserem Gehirn beim Geschlechtsverkehr und welche Rolle erfüllt unser Gedankenspiel, das sogenannte Kopfkino? Haben Menschen mit einer lebhaften Fantasie besseren Sex als andere? Diesen Fragen gehe ich in diesem Artikel auf den Grund und erkläre, wie wichtig es ist, seine eigene Lust zu kennen, um das Gehirn bei Unlust wieder zu aktivieren.

Neurologische Prozesse beim Sex

Beim Sex führt das Gehirn Regie und sendet Signale an den Körper, der dadurch erregt wird. Hormone wie Dopamin werden in großen Mengen ausgeschüttet und spielen eine wichtige Rolle für unser Belohnungssystem. Aber auch Endorphine und Serotonin gehören dazu. Während Endorphine, die sogenannten Glückshormone für ein Stimmungshoch sorgen, entspannt Serotonin und wird nicht umsonst als Wohlfühlhormon bezeichnet. Beim Mann allerdings kommt es dadurch zunächst zu einer unfreiwilligen Ruhepause, sodass er für sexuelle Erregung unempfänglich ist. Der Hypothalamus stellt eine Verbindung zwischen Nervensystem und Hormonen her und wird durch Streicheleinheiten aktiviert, bis er nach dem Orgasmus schlagartig abnimmt. Der Orgasmus selbst, der wie eine Droge direkt auf die Dopamin-Ausschüttung im Hirn wirkt, triggert unser Belohnungssystem dermaßen, sodass wir uns danach völlig befriedigt fühlen.

Wir könnten uns unsere Hormone und Genitalien wie Tools vorstellen, die vom Gehirn gesteuert werden und dadurch zu einer Erregung oder auch dem Gegenteil führen. Denn das Gehirn kann die Erregung hochfahren und gleichzeitig stoppen. Deshalb ist es so wichtig, sich mit seinem Körper auseinanderzusetzen, seine Lust zu kennen und bei Unlust zu wissen, welche Bereiche Berührung benötigen, um wieder Fahrt aufzunehmen. Beim weiblichen Orgasmus schalten sich übrigens bestimmte Hirnregionen komplett ab, insbesondere im Frontallappen, sodass Selbstbeherrschung und Triebkontrolle außer Kraft gesetzt werden.

Guter Sex ist Fantasiesache

Sexuelle Fantasien sind der Schlüssel zu gutem Sex und kennen keine Grenzen. Es sind Wünsche, die nicht immer realisiert werden müssen oder sollten da oft verborgene Traumata aus der Kindheit einfließen. Sie können völlig absurd sein, gewalttätig und manchmal sogar überhaupt nichts mit Sex zu tun haben. Es ist unser Kopf, in dem alles stattfindet und in dem alles erlaubt ist. Das Schöne an Fantasien ist, dass sie Raum zur Interpretation geben und Sehnsüchte wecken, die uns vielleicht nicht bewusst waren. Wer sich einmal der Macht der Vortsellungskraft im Klaren ist, weiß diese zu nutzen und kann in seiner Gedankenwelt komplett abtauchen, ohne dass es offensichtliche visuelle Stimuli braucht. Es geht darum, das Gehirn aktiv zu involvieren mit Eigenliebe und Berührungen. Es geht darum, sich vor Augen zu führen, dass es nicht der oder die Partnerin ist, die uns anmacht, sondern die Fantasie darüber, was er oder sie mit uns macht. Das Gehirn bewertet, ob uns eine Berührung, eine Situation oder eine Person feucht oder hart werden lässt.

Ich plädiere dafür, mehr sexuelle Fantasien in der Realität auszuleben, um über sich selbst hinauszuwachsen und seine Begierden letztendlich zu erfüllen. Wer weiß, vielleicht ist es ja so, wie Andy Warhol gesagt hat, der Kopf bleibt der ultimative Lustbringer und die langersehnte Fantasie weicht einer neuen. Der Vorteil, der sich daraus ergibt, ist, dass man Herr seiner eigenen Erregung wird, ohne dabei andere Menschen involvieren zu müssen, zumindest nicht gefühlt, sondern gedanklich.

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